Die Platzverhältnisse sind eng. Um optimal für ihre Ava zu sorgen, planen Rebekka Loosli und ihr Mann Martin Zweifel das Erdgeschoss um- und auszubauen. Bild: Annemarie Keusch

Ava braucht mehr Platz

Familie Loosli-Zweifel baut um

 

Die Geschichte von Ava Loosli und ihrer Familie bewegt. Das mehrfach beeinträchtigte Mädchen hat eine Stammzellentherapie hinter sich. Nun steht ein Umbau an und für den sucht ihre Familie Hilfe.

 

Sie ist gewachsen, gross geworden und mittlerweile fast zu schwer, um immer über die Treppen ins Schlafzimmer getragen zu werden, das sie mit ihrer Zwillingsschwester Lia teilt. Ava Loosli hat ihren ersten Rollstuhl bekommen. Mit diesem in der kleinen Küche und im noch viel kleineren Bad zu manövrieren, ist umständlich und unpraktisch. Darum haben die Eltern Rebekka Loosli und Martin Zweifel entschieden, umzubauen.

Das Erdgeschoss soll renoviert und erweitert werden. Dafür lanciert die Familie ein Crowdfunding, wie sie es schon für die Stammzellentherapie für Ava gemacht hat. 

 

 

Sie hat so viel zu sagen

Ein Jahr ist seit der Stammzellentherapie von Ava Loosli vergangen

Rebekka Loosli und ihre mehrfach beeinträchtigte Tochter Ava. Ein Jahr ist es her, dass sie nach Thailand reisten, damit Ava eine Stammzellentherapie machen konnte. «Die Fortschritte sind erheblich», sagt die Mutter. Und doch tauchen im Leben der Familie Loosli-Zweifel immer neue Herausforderungen auf.

 

Annemarie Keusch

 

Es sind diese Momente, die Rebekka Loosli fast fliegen lassen. In denen der Stolz sie fast übermannt. Dass ihre Tochter Ava Fortschritte macht, das weiss sie. Darauf hat sie gehofft, als sie mit ihr nach Thailand flog, um sie einer Stammzellentherapie zu unterziehen. Wenn Rebekka Loosli ihr einen Gegenstand in die Hand gibt, dann kann sie ihn mittlerweile eine kurze Zeit halten. «Das war früher undenkbar.» Und dann passiert just an diesem Morgen in der Küche der Looslis etwas, das bei der Mutter Freudenschreie auslöst. Der Kugelschreiber der Journalistin liegt auf dem Tisch. Kurze Zeit später hat ihn Ava in der Hand, selbst vom Tisch aufgehoben. «Das konnte sie noch nie. Wahnsinn. Da kommt noch mehr», ist Rebekka Loosli euphorisch.

Die Gefühle waren auch schon anders. Dass die Stammzellentherapie die grosse Chance ist, das Leben ihrer mehrfach beeinträchtigten Tochter zu verbessern, das war für die Eltern klar. «Mit dieser Meinung waren wir in der Schweiz alleine.» Avas Ärzte stehen der Therapie skeptisch gegenüber, rieten eher davon ab. Das unbekannte Risiko sei zu gross. Es gibt zu dieser Therapie keine Studien, in ganz Europa nicht, die den Erfolg darlegen. Und trotzdem wagten es die Looslis, sammelten im Herbst 2020 Geld für die Reise nach Thailand. «Dass wir dieses so schnell beisammenhatten, war enorm schön. Dass wir wegen der Pandemie aber erst eineinhalb Jahre später reisen konnten, darum doppelt frustrierend», sagt Rebekka Loosli.

 

Acht kurze Vollnarkosen

 

Mittlerweile ist seither ein Jahr vergangen. Die Erinnerungen an die Zeit in Phuket und später in Bangkok sind bei der vierfachen Mutter aber noch sehr präsent. 1,6 Millionen Stammzellen wurden Ava in acht Behandlungen eingesetzt. Für jede war eine kurze Vollnarkose nötig, gefolgt von hohem Fieber. «Fünfmal spritzten sie ihr die Stammzellen ins Rückenmark, dreimal erhielt sie diese intravenös», sagt Rebekka Loosli. Eine Tortur für die damals Dreijährige. «Im Nachhinein ist es ein Glück, dass wir nur zu zweit nach Thailand reisten und nicht mit der ganzen Familie. Ava brauchte meine ganze Kraft.»

 

Ein möglichst selbstständiges Leben ermöglichen

 

Ob es sich gelohnt hat? Rebekka Loosli lächelt, sagt später im Gespräch, dass sie bereits wieder ab und zu Geld auf die Seite lege, um einen solchen Eingriff nochmals zu tätigen. «Je jünger, umso grösser sind die Erfolgschancen», weiss sie. Das habe die erste Stammzellentherapie eindrücklich gezeigt. «Seither können wir Ava besser lesen, sie reagiert mehr, zeigt mehr Emotionen.» Ava lache zum Beispiel viel mehr und sie könne sich viel besser mitteilen. Etwa das Wasser vom Apfelsaft unterscheiden, wenn Rebekka Loosli beide Fläschchen schüttelt. «Wenn man ganz genau hinhört, dann hört man den Unterschied. Wir können auch unglaublich viel von Ava lernen, sie hat so viel zu sagen.»

 

Zwillingsschwester Lia ist ihr Sprachrohr

 

Zu wissen, dass Ava auf ein geschütteltes Fläschchen reagiert, das wäre vor einem Jahr noch unmöglich gewesen. Mittlerweile gibt sie gar Laute von sich, ähnlich wie ganz kleine Kinder. «Sprechen wird sie aber nie können, da müssen wir wohl realistisch sein.» Der Familie geht es nicht darum, Avas Fortschritte um jeden Preis zu erzwingen. «Wir wollen ihr einfach ein möglichst selbstständiges Leben ermöglichen. Das hat sie doch verdient, wie jedes andere Kind auch.» Gerade in der Kommunikation hilft Avas Zwillingsschwester. «Sie haben eine eigene Sprache. Lia weiss, ob Ava Durst hat oder einfach nur Ruhe braucht, wenn sie weint. Manchmal fast schon beängstigend», meint Rebekka Loosli und grinst.

Trotzdem, eine Rundumbetreuung braucht die Vierjährige nach wie vor. Einfacher, diese zu gewährleisten, wird es trotz Hilfe einer Assistenzperson und der Spitex nicht. Denn auch die anderen drei Kinder brauchen Betreuung, Aufmerksamkeit. Sohn Jonny kommt im Sommer in die erste Klasse, Lia in den Kindergarten, Emma in die dritte Klasse. Und Zeit für sich und ihren Mann? Rebekka Loosli lächelt. «Die gibt es selten.»

 

Unterstützte Kommunikation erlernen

 

Wenn Lia in den Kindergarten kommt, dann gilt für ihre Zwillingsschwester Ava das Gleiche. Wenn vom heilpädagogischen Schul- und Beratungszentrum Sonnenberg in Baar gesprochen wird, lacht Ava. «Sie fühlt sich wohl dort», weiss Mutter Rebekka Loosli. Dort wird mit ihr die unterstützte Kommunikation geübt, mithilfe von Tablet-Programmen. «Sie macht schöne Fortschritte.» Dreimal war sie schon in der Institution, ab Sommer soll es regelmässiger werden. «Das ist eine grosse Entlastung», sagt Rebekka Loosli. Und gleichzeitig eine riesige Chance für Ava. Mit anderen mehrfach Beeinträchtigten zusammen zu sein, mit ihnen ihre eigene Sprache zu sprechen, mal andere Menschen, andere Wände zu sehen. «Je früher wir sie ein wenig loslassen können, umso einfacher ist es – für sie und für uns.»

Die Kinder wachsen, auch Ava. Sie immer zu tragen, wird immer umständlicher. Ava hat mittlerweile ihren ersten Rollstuhl bekommen. Und spätestens wenn Rebekka Loosli ihr im Badezimmer die Zähne putzt, dann wird es ersichtlich: Die Räumlichkeiten im alten Bauernhaus in Besenbüren sind zu klein, um darin ein schwerstbeeinträchtigtes Mädchen zu pf legen. «Und eben, nur schon wegen des Gewichts geht es langsam nicht mehr, dass wir Ava jeden Morgen von ihrem Zimmer nach unten tragen und jeden Abend wieder hoch.» Dass ein Umbau nötig wird, mit diesem Gedanken tat sich die Familie lange schwer. «Wenn wir das Erdgeschoss umbauen und erweitern, heisst das auch, dass Ava künftig keinen Zugang mehr zu den Zimmern im oberen Stock haben wird», spricht die Mutter Klartext.

 

Baugesuch liegt aktuell beim Kanton

 

Eine grössere Küche, damit am Küchentisch alle gleichzeitig essen können. Ein funktionales, grösseres Bad. Ein Schlafzimmer für Ava – aktuell teilt sie sich ein Zimmer mit Zwillingsschwester Lia –, das Elternschlafzimmer und das Wohnzimmer. Das alles soll künftig im Erdgeschoss angesiedelt sein. Dafür ist ein Anbau notwendig. «Ava wird ihr Leben lang auch bei uns leben, egal in welcher Situation. Entsprechend wollen wir uns so einrichten, dass es für sie und für uns möglichst einfach ist.» Kommt hinzu, dass der Hauseingang nur via Treppen erreichbar ist. Eine Hebebühne wird notwendig. Dazu soll ideales Licht helfen, Avas Augen zu aktivieren.

 

Nochmals wendet sich die Familie mit einem Spendenaufruf an die Öffentlichkeit. «Auch damit haben wir lange gehadert. Uns geht es eigentlich gut, wir sind glücklich. Wenn man sieht, was gerade auf der Welt passiert, dann haben wir fast ein schlechtes Gewissen. Aber es gibt viele Menschen, die immer wieder fragen, wie sie uns helfen können. Das ist eine Möglichkeit. Und wir freuen uns über jeden Beitrag. Oder wenn Handwerksbetriebe uns in irgendeiner Form unterstützen wollen.» Gut 70 000 Franken kamen bisher zusammen. Das Baugesuch ist eingereicht und aktuell beim Kanton. So schnell wie möglich soll mit dem Umbau begonnen werden.

 

Rebekka Loosli freut sich, wenn danach einiges einfacher ist, für sie selbst, aber auch für die ganze Familie. «In den letzten vier Jahren fühlte ich mich als Pflegerin, Therapeutin, Psychologin. Ich freue mich, mich hoffentlich bald wieder mehr als Mutter zu fühlen.»

 

Spendemöglichkeit und Kontakt: www.fuerava.ch